Mentale Aspekte

Mentale Aspekte spielen im Fechten eine große Rolle. Ansprache und Kommunikation bestimmt einen großen Teil des Trainings- und Wettkampferfolgt.

Kommunikation von und mit AthletInnen

Die Qualität der Kommunikation zwischen Coach und Athlet:in ist ein zentraler Einflussfaktor im Sporttraining. Sie beeinflusst unter anderem die Wahrnehmung und Anwendbarkeit von Trainingsinhalten, die Selbstwirksamkeitserwartung sowie die Handlungs- und Emotionsregulation in Training und Wettkampf. Auch Motivation und Zielbindung lassen sich über sprachliche Interaktion gezielt fördern oder hemmen (Jowett & Cockerill, 2003) .

Kommunikation im Coachingprozess ist jedoch nicht neutral oder zufällig: Sie wird maßgeblich durch das Verhalten und die Haltung der Trainer:innen bestimmt und wirkt – bewusst oder unbewusst – auf das mentale Modell der Athlet:innen ein. Daraus ergibt sich ein hoher Anspruch an die Zielgerichtetheit und emotionale Qualität von Trainerkommunikation (Mageau & Vallerand, 2003) .

Diagram

Eine wirkungsvolle Kommunikation sollte nicht nur Informationen vermitteln, sondern auch psychologische Grundbedürfnisse wie Autonomie, Kompetenz und soziale Eingebundenheit ansprechen, um langfristige Motivation und Entwicklung zu ermöglichen (Deci & Ryan, 2000) .

Grundlagen und Wirkungsweise

Sprache dient nicht nur der Kommunikation, sondern auch der Strukturierung von Erfahrung – insbesondere im Bewegungslernen. Athlet:innen kodieren und erinnern Bewegungsaufgaben häufig sprachlich unterstützt, etwa durch instruktive Phrasen wie „locker aus dem Fußgelenk springen“. Diese sprachlich codierten Einheiten können als Teil eines motorischen Skripts verstanden werden und weisen funktionale Parallelen zu den sogenannten Chunks in der Kognitionspsychologie auf (Miller, 1956) .

Die Art und Weise, wie Bewegungen beschrieben oder im mentalen Lexikon gespeichert sind, beeinflusst maßgeblich, wie leicht sie vorgestellt, erinnert oder variiert werden können (Schack, 2004) .

Die Embodied Cognition-Forschung zeigt: Sprache und Bewegung sind im Gehirn eng miteinander verknüpft. Wenn ein Wort wie „greifen“ gehört oder gedacht wird, zeigt sich eine messbare Teilaktivierung motorischer Areale, insbesondere im prämotorischen Kortex (Pulvermüller, 2005) . Dies bedeutet: Wird z. B. der Ausdruck „schnell abdrücken“ verwendet, kann dies eine direkte sensorisch-motorische Vorstellung auslösen.

Sprachliche Metaphern – etwa „Feder in den Beinen“ – unterstützen das Bewegungslernen effektiv, sofern sie an bestehende semantische Schemata im mentalen Lexikon andocken (Dervent, 2016) .

Das sogenannte mentale Lexikon umfasst die im Gehirn gespeicherten Repräsentationen von Wörtern und ihren Bedeutungen, Formen, grammatikalischen Eigenschaften sowie ihren semantischen und emotionalen Verknüpfungen. Es ist kein statisches „Wörterbuch“, sondern ein dynamisch vernetztes, erfahrungsbasiertes System, das durch Gebrauch laufend reorganisiert wird (Levelt, 1989) .

Im Denk-, Sprach- und Bewegungsprozess wird jeweils ein Teil dieses Netzwerkes aktiviert. Durch Spreading Activation werden benachbarte oder assoziierte Knoten mitaktiviert, was Denkprozesse und Handlungen beeinflusst (Collins & Loftus, 1975) .

Das mentale Lexikon beeinflusst die Bewertung und Umsetzung von Bewegungsaufgaben über mehrere Mechanismen:

  • Assoziative Prägung: Wenn der Begriff „Strecksprung“ mit Begriffen wie „Angst“, „Fehlversuch“ oder „Lehrer“ assoziiert ist, sinkt die Bereitschaft zur Ausführung. Eine negative semantische Nachbarschaft kann Motivation und Handlungsausführung hemmen.

  • Konnotationen & Emotionen: Wörter im mentalen Lexikon tragen emotionale Bewertungen. Diese wirken häufig unbewusst auf Entscheidungsprozesse und die Ausführung motorischer Aufgaben (Citron et al., 2011) .

  • Kognitive Leichtigkeit (Fluency): Wenn eine sprachliche Anweisung bekannt, klar strukturiert und gut vernetzt ist, wird sie als einfacher und angenehmer empfunden. Dies bezeichnet man als Fluency Effect (Reber et al., 2004) .

Sprache kann aber nicht nur auslösen, sondern auch strukturierend und kompensatorisch wirken. Besonders wirkungsvoll sind:

  • Metaphern: Bildhafte Sprache erleichtert das Andocken an bestehende Schemata.

  • Rhythmisierung: Sprechrhythmus und Takt helfen bei Sequenzierung und Timing.

  • Chunking: Komplexe Bewegungsabfolgen werden in handhabbare Einheiten gegliedert.

  • Verbalanker: Einzelne Begriffe dienen als Trigger für ganze Bewegungsmuster.

Diese Effekte machen Sprache zu einem hochwirksamen Werkzeug im motorischen Lernen – weit über die reine Instruktion hinaus.

Modell der Sprach- und Repräsentationsgestützten Bewegungsaquisition (SRBA-Modell)

Ausgangslage
  1. Mentales Lexikon enthält

    1. Begriffe, Beschreibungen, Metaphern ("kraftvoller Abdruck", "Federung")

    2. Emotionale und soziale Bewertungen (z. B. „peinlich“, „cool“, „gefährlich“)

    3. Kontextuelle Kopplungen (z. B. „Wettkampf“, „Fehler“, „Erfolg“)

  2. Bewegungsrepräsentationen:

    1. Motorischen Schemata (z. B. Absprungmuster, Gleichgewichtsstrategien)

    2. Körpergefühl und -bewusstsein

    3. Erinnerung an vergangene Erfahrungen (Vorerfahrungen)

  3. Einflussfaktoren, die Einfluss auf diesen Zustand hatten:

    1. Individuelle Vorerfahrung

    2. Soziale Zuschreibungen (z. B. Lehrer-Kommentare wie „kein Bewegungstalent“)

    3. Sprache Dritter (Metaphern, Labels wie „Fail“, „Athlet“, „unsportlich“)

    4. Emotionale Marker (z. B. frühere Scham, Stolz, Angst, Gruppendruck)

Präsentation der Bewegungsaufgabe
  1. Formen der Präsentation

    1. Sprache (Instruktionen, Metaphern, Verben, Analogien)

    2. Demonstration

    3. Visualisierung (Videos, Bilder)

    4. Kontextualisierung (Warum ist die Übung sinnvoll?)

  2. Wechselwirkungen / neue Informationen stoßen auf vorhandene Strukturen

    1. Verankerung gelingt, wenn sprachliche Begriffe an bestehende Knoten andocken können.

    2. Verwirrung/Abwehr entsteht, wenn die Aufgabe unvereinbar mit bestehenden Schemata ist oder negativ konnotierte Begriffe enthält.

Erste Reaktion auf die Präsentation / Mentale Veränderung ohne Bewegung
  1. Aufbau oder Modifikation semantischer Knoten:

    1. Z. B. das Wort „Strecksprung“ wird idealerweise von „unangenehm“ zu „kraftvoll“ umgedeutet.

  2. Neue Bewegungsrepräsentation entsteht durch Vorstellung.

  3. Aufbau mentaler Prototypen („So sieht das aus / fühlt sich an“).

Motorische Umsetzung
  1. Aktivierung vorhandener motorischer Schemata + Versuch der Anpassung.

  2. Feedbacksysteme (visuell, propriozeptiv, auditiv)

    1. Bewertung (idealerweise intern, teilweise extern)

  3. Subjektives Gefühl: gelungen/misslungen, peinlich/stolz

  4. Soziale Rückmeldung: Lob, Kritik, Bewertung durch Peers oder Coaches

Veränderung durch Durchführung
  1. Mentales Lexikon

    1. Neue Verknüpfungen (z. B. „Absprung“ = „leicht“ statt „kompliziert“)

    2. Umdeutung von Begriffen (z. B. „Rotation“ wird entängstigt)

    3. Neue sprachliche Etikettierungen (z. B. „funktioniert“, „mein Ding“, „ein Flow-Moment“)

  2. Bewegungsrepräsentationen

    1. Verfeinerung: Bewegung wird klarer und differenzierter gespeichert

    2. Aufbau von Prozedurwissen (z. B. Gefühl für Timing, Kraftdosierung)

    3. Integration in bestehende motorische Muster (Transfer)

Miserfolge bei der Durchführung sind notwendiger Teil des Lernprozesses:

Damit Misserfolg und Fehler für positive Veränderungen sorgen können, sind verschiedene Bedingungen notwendig oder hilfreich, damit das mentale Modell positiv beeinflusst wird. Auf einer mentalen Ebene sind dies:

  • Positive Sprachrahmung: „Das war ein wertvoller Versuch“, „Interessanter Lösungsansatz“ → verhindert negative Kodierung

  • Selbstwirksamkeitsfokus: Betonung von Lernfortschritt statt Zielerreichung

  • Erlaubnis zum Explorieren: Scheitern wird als Spielraum erlebt, nicht als Versagen

  • Explizite Reflexion / Nachfragen: „Was hast du gespürt? Was war neu?“ stärkt semantische Tiefe

  • Verfügbare Anker im Lexikon: Wenn schon ähnliche Bewegungen oder Begriffe bekannt sind, kann die Bewegung trotz Fehler verstanden und eingebettet werden.

Eine Abbildung hier wäre hilfreich

Umgang mit destruktivem Feedback

Gerade in Kampfsportarten sehen sich AthletInnen häufig destruktivem Feedback ausgesetzt. Als solches bezeichnen wir Rückmeldungen, die negativ und stark emotionalisiert sind.

Die Quelle sind auf der einen Seite die Rückmeldungen von Trainern, die sich der destruktiven Wirkung nicht bewusst sind (z.B. auch, weil ein solches bis in die 1980er Jahre als leistungsförderlich angesehen wurde). Sie nutzen z.B. Herabwürdigungen ("Du machst das seit fünf Jahren, aber Du hast gar keine Ahnung davon") oder sogar starke Bilder ("Du hüpfst herum wie ein verrücktes Huhn").

Die zweite Quelle sind Äußerungen von Gegnern, die das Mittel vor einer Begegnung bewusst einsetzen, um Verunsicherung und Zweifel hervorzurufen.

Gerade in Kampfsportarten sehen sich Athlet:innen häufig destruktivem Feedback ausgesetzt. Als solches bezeichnen wir Rückmeldungen, die negativ, stark emotionalisiert und entwertend formuliert sind.

Zwei Hauptquellen solcher Rückmeldungen sind identifizierbar:

  1. Trainerfeedback ohne Bewusstsein für negative Effekte: Insbesondere in Trainingskulturen, die auf autoritäre oder konfrontative Instruktionsformen zurückgreifen – wie sie bis in die 1980er Jahre in der Sportpädagogik verbreitet waren –, finden sich auch heute noch herabwürdigende Aussagen wie: „Du machst das seit fünf Jahren, aber du hast immer noch keine Ahnung.“ oder metaphorische Demütigungen wie: „Du hüpfst herum wie ein verrücktes Huhn.“
    Solche Aussagen können das Selbstbild, die Motivation und die motorische Leistung erheblich beeinträchtigen (Goleman, 1995) , sowie (Jowett & Cockerill, 2003) .

  2. Psychologische Kriegsführung durch Gegner:innen oder deren Team: In Wettkampfsportarten – insbesondere in Kampfsportarten mit direkter Konfrontation – wird destruktive Kommunikation gezielt als Mittel der Verunsicherung eingesetzt. Solche „Trash Talk“*-Taktiken sollen Zweifel, Wut oder Nervosität erzeugen, um die kognitive und motorische Leistungsfähigkeit zu untergraben.

Solches Feedback aktiviert häufig das limbische System und kann zu einer emotionalen Blockade führen, die das Arbeitsgedächtnis beeinträchtigt und das Zugriffspotenzial auf gelernte motorische Programme reduziert (Arnsten, 2009) .

Ein effektiver Umgang mit destruktivem Feedback setzt daher auf emotionale Regulation, metakognitive Strategien und sprachlich gestützte Resilienztechniken (z. B. Reframing, semantische Entkopplung oder Perspektivwechsel), um negative semantische Aktivierungen im mentalen Lexikon zu neutralisieren oder umzuleiten (Gross, 2002) .

Interventionen bei destruktiver Kritik

Die folgenden Kurzinterventionen können eingesetzt werden, um die Auswirkungen von destruktiver Kritik aufzuheben oder zumindest zu begrenzen.

Auswirkungen destruktiven Feedbacks

Destruktives Feedback wirkt sich über mehrere Wege negativ auf bestehende Fertigkeiten und auf die Fähigkeit aus, effizient neue Fertigkeiten zu erlernen:

Wirkung auf das mentale Lexikon
  1. Neue negative Verknüpfungen:
    Begriffe wie „Sprung“, „Technik“, „Bewegung“, „Training“ werden neu negativ konnotiert. z. B. erhält „Ausweichen“ eine Assoziation mit „Versagen“, „Bloßstellung“, „Nicht können“.

  2. Starke emotionale Marker:
    Sprache wie „verrücktes Huhn“ wird emotional aufgeladen gespeichert. Solche Begriffe können zu Triggerwörtern werden, die das ganze System in einen Zustand von Scham, Angst oder Rückzug versetzen.

  3. Schwächung positiver Knoten:
    Bisher positiv bewertete Konzepte (z. B. „Entwicklung“, „Üben lohnt sich“) werden überschrieben oder verdrängt.

Wirkung auf Bewegungsrepräsentationen (Schicht: Körpererfahrung, motorische Schemata)
  1. Störung des Bewegungsgefühls: Negative Bewertung erzeugt Selbstzweifel: Die AthletIn zweifelt an der eigenen Wahrnehmung („Ich dachte, das fühlte sich gut an – offenbar war es schlecht“). Dies schwächt die Kohärenz motorischer Repräsentationen.

  2. Fragmentierung: Statt sich auf Prozesse (Timing, Kraft, Rhythmus) zu konzentrieren, achtet der Athlet plötzlich auf Außenwirkung. Bewegungen werden dadurch unökonomisch, instabil und entfremdet vom Körperschema.

Wirkung auf Umsetzung neuer Bewegungsaufgaben
  1. Reduzierte Offenheit:

    1. Neues wird als potenzielle Gefahr interpretiert („Wieder bloßgestellt werden?“)

    2. Exploration wird vermieden – wichtiger Bestandteil des motorischen Lernens blockiert.

  2. Engführung kognitiver Ressourcen:
    Aufmerksamkeit verengt sich auf „Wie wirke ich?“ statt auf „Wie fühlt sich das an?“. Dadurch stehen weniger Ressourcen für implizites Lernen und motorische Anpassung zur Verfügung

  3. Verringertes Selbstwirksamkeitsempfinden:

    1. Der zentrale Glaube: „Ich kann mich entwickeln“ wird untergraben.

    2. Neue Aufgaben werden eher mit Vermeidungsverhalten oder vorgeblich ironischer Distanz (Selbstschutz) begegnet.

Negatives, bewertendes Feedback wirkt tief in das mentale Lexikon ein und kann langfristig Bewegungskompetenz lähmen, Bewegungsschemata destabilisieren und die Fähigkeit zu kreativem, explorativem Lernen einschränken.

Destruktive Kritik zur Überwindung lokaler Minima und motorischer Stabilitätsschwellen

In der älteren motorischen Lerntheorie wurde angenommen, dass destruktives Feedback ein geeignetes Mittel sei, um sogenannte lokale Optima zu überwinden – das sind stabile Bewegungsmuster, die kurzfristig effizient wirken, jedoch langfristig suboptimal sind. Hier war die Idee: Nur durch harte Kritik und Störung lasse sich der Athlet „herausschütteln“ und in neue, leistungsfähigere Muster zwingen (Newell, 1991) .

Diese Sicht ist heute weitgehend überholt. Zwar ist es richtig, dass gezielte Irritation des bestehenden motorischen Systems hilfreich sein kann, um Stabilitätsgrenzen zu überwinden. Jedoch erzeugt destruktives, negativ-emotionales Feedback häufig Scham, Verunsicherung oder das Gefühl der Bloßstellung – Faktoren, die die kognitive Verarbeitung und das motorische Explorationsverhalten nachweislich hemmen (Baumeister et al., 2007) .

Folgende Strategien sind empirisch erprobt und fördern Variabilität, Exploration und Rekontextualisierung von Bewegungen – zentrale Prinzipien für die Überwindung lokaler Minima:

  • Kontextveränderung: Bewegungsanweisung in ungewohnten Rahmen setzen, z. B. „Führe die Bewegung mit geschlossenen Augen aus.“ oder „Stell dir vor, du bewegst dich unter Wasser.“
    Dies fördert sensorische Reorganisation und entkoppelt automatisierte Routinen (Davids et al., 2007) .

  • Verfremdungstechniken: Bewegung absichtlich verlangsamen, beschleunigen oder unter veränderten Umweltbedingungen ausführen (z. B. instabiler Untergrund, Taktwechsel).
    Ziel: Öffnung des sensomotorischen Lösungsraums.

  • Metaphernwechsel: Beispiel: Statt „explosiv abdrücken“ → „wie ein geplatzter Ballon aufspringen“
    Neue semantische Bilder helfen, Bewegungsrepräsentationen neu zu verschalten und alternative motorische Lösungen zu aktivieren (Schack & Mechsner, 2006) .

  • Semantische Neuanreicherung: Z. B. Frage: „Was wäre das Gegenteil deiner Bewegung?“
    Aktiviert das mentale Lexikon und regt die kognitive Flexibilität an.

  • Temporäre Übertreibung / Regression: Z. B. „Mach’s absichtlich viel zu schnell / zu weich / zu stark – fühl die Extreme.“
    Hilft beim Wahrnehmen von Grenzbereichen der Bewegung und fördert Selbstorganisation.

Diese Techniken kombinieren Störung ohne Schädigung und Variation ohne Bloßstellung – zwei zentrale Prinzipien moderner Trainingsdidaktik, die nachhaltiges motorisches Lernen fördern.

Gegenmaßnahmen

Selbstverständlich ist destruktives Feedback generell zu verhindern. Die Erfahrung zeigt aber, dass es trotzdem immer wieder stattfindet, sei es, weil eine TrainerIn unwillkürlich und spontan selbst falsch handelt (und es im Optimalfall direkt selbst bemerkt), oder auch, weil es z.B. bei Lehrgängen, Camps oder auf Turnieren Kontakt mit ungeschulten TrainerInnen gibt, die destruktive Kritik fälschlich als Trainingsmittel einsetzen.

Um negative Effekte abzupuffern, sind eine Reihe von Maßnahmen wirkungsvoll. Sie können sowohl im Vorfeld erlernt werden (Ausbildung von Resilienz), als auch im Nachhinein (Intervention) angewendet werden. Insbesondere wirksam sind:

  • Reframing: Die negativ belegten Begriffe müssen aktiv durch neue semantische Knoten ersetzt oder entwertet werden.
    z. B.: „Was als ‘verrücktes Huhn’ bezeichnet wurde, war vielleicht eine interessante Eigenlösung.“

  • Vertrauensvolle soziale Kontexte: Ein sicherer Raum mit unterstützender Sprache („Ich sehe, dass du dran bist“, „Schau mal, was sich verbessert hat“) kann beschädigte Knoten überlagern.

  • Metaphorische Arbeit: Neue positive Metaphern helfen beim Umbau des mentalen Lexikons: „Wie eine Katze landen“ statt „nicht wie ein Huhn zappeln“.

  • Selbstreflexion fördern: Durch Fragen wie „Was hast du gespürt?“, „Was hättest du anders gemacht?“ wird die Verbindung zum eigenen Körperschema gestärkt und ein Gegengewicht zur äußeren Entwertung geschaffen.

Destruktives Feedback ist grundsätzlich zu vermeiden. Es gilt als eine der häufigsten Ursachen für reduzierte Motivation, Selbstzweifel und Leistungsblockaden im Sport (Galli & Vealey, 2008) . Dennoch zeigt die Praxis: Solche Rückmeldungen treten weiterhin auf – aus spontaner emotionaler Reaktion, aus ungeschulter Kommunikation oder durch Begegnung mit externen Trainer:innen (z. B. bei Lehrgängen, Turnieren), die destruktives Feedback fälschlich für leistungsförderlich halten.

Um negative Effekte zu puffern oder gar umzukehren, haben sich mehrere kompensatorische Strategien bewährt. Diese können sowohl präventiv (durch Resilienzbildung) als auch reaktiv (als Intervention) eingesetzt werden:

  • Reframing – semantische Umstrukturierung: Negativ besetzte Begriffe werden durch neue Bedeutungsnetzwerke ersetzt oder entwertet.
    Beispiel: Statt „verrücktes Huhn“ → „eine ungewöhnliche, kreative Eigenlösung“
    Ziel ist die Neucodierung im mentalen Lexikon, um die emotional-negative Verankerung zu lösen (Schack, 2007) .

  • Sozial sichere Kontexte schaffen: Der Aufbau von Vertrauen durch eine empathische, validierende Sprache wie:
    „Ich sehe, dass du dran bleibst.“ oder „Deine Landung war schon deutlich stabiler.“
    Solche Aussagen stärken das Selbstbild und wirken gegen dysfunktionale Knoten im semantischen Netz (Ryan & Deci, 2000) .

  • Metaphorische Rekodierung: Positive, körpernahe Bilder helfen, beschädigte Bewegungsrepräsentationen zu überschreiben.
    Beispiel: Statt „nicht wie ein Huhn zappeln“„weich wie eine Katze landen“
    Unterstützt mentale Umstrukturierung durch Embodied Semantics (Lakoff, 1999) .

  • Selbstreflexion durch gezielte Fragen: Fragen wie „Was hast du gespürt?“ oder „Was hättest du anders machen können?“ aktivieren das Körperschema und verschieben die Kontrolle zurück zum Athleten.
    Ziel: Agency und Selbstwirksamkeit stärken, um äußere Bewertung zu relativieren (Bandura, 1997) .

Diese Strategien kombinieren sprachlich-semantische Neuorganisation mit emotionaler Re-Sicherung und fördern langfristig die Resilienz gegenüber ungünstigen Einflüssen auf das Bewegungslernen.

Kurzintervention: Versehentliche eigene destruktive Kritik

Ziele:

  • Negatives Feedback + Emotion ≠ Realität

  • → Entkoppeln + Embodiment + neue semantische Knoten + Wiederholung

Phase 1: Nicht internalisieren lassen

Direkt nach einer versehentlichen destruktiven Kritik ist es wichtig, den negativen Satz nicht internalisieren zu lassen.

Ansprache (ruhig, klar, direkt):

Lass uns das kurz löschen – das war ein schlechter Kommentar, aber du bist nicht verrückt / albern / ein Huhn.

oder humorvoll:

Du bist kein Huhn. Höchstens ein Adler im Sturzflug, der noch justiert.

Wirkt, weil die sofortige semantische Umcodierung die automatische Verankerung im mentalen Lexikon unterbricht. Die lässt Distanz zum Kommentar entstehen (Disidentifikation).
Phase 2: Körperliche Miniübung:

Ziel: Emotion überschreiben durch Bewegung (Embodied Reframing)

Beispiel-Übung: „Zurück in deine Kraft“

  • Stelle dich breit hin.

  • Arme locker schwingen lassen.

  • Einatmen – Arme nach oben.

  • Ausatmen – Arme mit Schwung fallen lassen.

  • Dann 3 Sekunden in starker Haltung stehen (z. B. „Power-Pose“: Brust raus, Kopf hoch).

Spür mal, wie du jetzt im Körper bist. Das bist du – nicht der Spruch von außen.

Phase 3: Mentale Neuverankerung (15-30 Sekunden)

Ziel: Die ursprüngliche Bewegung neu rahmen mit einer neuen Bedeutung, nicht mit Korrektur.

Ansprache: ruhig, zukunftsbezogen

Was du da gemacht hast, war ein mutiger Versuch, neue Energie reinzubringen – daran bauen wir an.

oder

Ich hab da gute Ansätze gesehen. Wenn wir’s gemeinsam justieren, wird da was richtig Gutes draus.

Alternativ: Sofortige Handlungsalternative geben

Ziel: Metaphorische Sprache überschreibt die negativ bewertete Bewegung

Mach sie nochmal – aber diesmal stell dir vor, du bewegst dich wie flüssiges Metall / ein elastischer Pfeil / ein Raubtier im Sprung.

Nochmal kurz: Beispielhafte 30-Sekunden-Reaktion auf abwertenden Kommentar:
  1. „Vergiss den Huhn-Spruch – das war unnötig.“

  2. Übung: Arme hoch, ausatmen, Power-Pose
    „Spür mal: das ist deine Energie – bleib bei dir.“

  3. „Dein Sprung hatte Mut – lass uns jetzt an Timing und Richtung drehen.“

Kurzintervention: Destruktive Kritik bei zeitlichem Abstand

Anwendung, wenn das destruktive Feedback bereits länger (wenige Tage) zurückliegt. Es ist dann oft bereits verankert und vielleicht bereits emotional "weiter gewachsen". Eventuell hat sich bereits das Selbstbild verändert.

Ziele:

  • Die innere Geschichte, die sich nach dem Feedback gebildet hat, auffangen oder umdeuten.

  • Die Bewegungslust und Offenheit wiederherstellen.

  • Der AthletIn das Gefühl geben, dass sie nicht falsch ist, sondern etwas in der Umgebung nicht gepasst hat.

Phase 1: Gesprächsöffner: Sicherheit + Einladung

Ansprache: einladend, nicht drängen

Ich weiß, das Turnier / der Lehrgang war intensiv – manchmal bleibt was hängen, was sich nicht gut anfühlt. Möchtest du erzählen, wie’s dir damit geht?

Wenn die Person nichts erzählt, nicht bohren, sondern direkt weiter mit Phase 2.

Phase 2: Entkopplung durch Entwerten der Quelle

Ziel: Auflösung der Verschmelzung zwischen Bewertung und Selbstbild, Kontrolle zurückgeben.

Ansprache: ruhig, direkt, mit konkretem Details (falls bekannt)

Nicht jeder, der laut ist, hat recht. Und nicht jeder Kommentar trifft die Realität. Vielleicht sagt das, was du gehört hast, mehr über die Person als über dich.

Phase 3: Bewegungs-Resonanz wieder aktivieren

Ziel: neue Bewegungserfahrung, Fokus auf Selbstwirksamkeit

Durchführen einer kleinen Übung, die kritisierte Elemente enthält (falls bekannt) oder (bei allgemeiner Kritik) die zentrale Stärke der AthletIn:

Lass uns mal die Ausweichbewegungen machen – aber so, wie sie sich für dich gut anfühlt. Nicht wie’s jemand sehen will. Ich beobachte nur das Timing, nicht den Stil.

Danach Rückmeldung zur Selbstwirksamkeit:

Dein Rhythmus ist da – und das ist der, auf dem wir aufbauen.

Phase 4: Neuverankerung

Ziel: nützliche Metapher ins mentale Lexikon bringen, Selbstbild positiv formen

Ansprache: freudig, auffordernd

Was du machst, hat Sinn. Du baust Dir gerade neue Muster auf. Das braucht oft Mut – genau den sehe ich bei dir.

Oder falls die Kritik eine Metapher enthielt, kann man sie umdeuten:

Du bist kein Huhn. Eher ein Greifvogel beim Wenden – manchmal kurz wacklig, dann präzise. Aber in jedem Fall ein bisschen verrückt. Und das braucht’s auch.

Kurzintervention: Destruktive Kritik aus der eigenen Peer Group

Emotionaler Kritik aus der eigenen Trainingsgruppe (Spott, Beleidigung) wiegen meist viel schwerer als Feedback von außen. Sie bedrohen genauso das Selbstbild, aber zusätzlich die soziale Sicherheit - und damit die Lernbereitschaft. TrainerInnen sind aber anwesend und können direkt eingreifen.

Ziele der Intervention:

  • Sofortige emotionale Entschärfung für die betroffene AthletIn

  • Deutliches, aber nicht demütigendes Grenzenziehen gegenüber der Gruppe

  • Wiederherstellung von Würde, Spielraum und Lernmotivation

  • Reintegration der Gruppe durch Umfokussierung – nicht durch Strafe

Phase 1: Sofort-Stopp und Haltung zeigen

Ansprache: klare Körpersprache, ruhig (nicht laut), Gruppe anschauen (nicht das Opfer; signalisiert Schutz)

Stopp – das hier ist kein Platz für Spott.

oder

Sowas sagen wir hier nicht. Punkt.

Phase 2: Sprachliches Reframing für alle

Ziel: Bei allen Normen im mentalen Lexikon setzen - von "Leistung zählt" zu "Mut zählt"

Wisst ihr, Bewegung sieht bei jedem anders aus. Wer hier was wagt, verdient Respekt – nicht Kommentare

oder auch

Fehler zeigen Mut. Wer lacht, hat nicht verstanden, worum es hier geht.

Phase 3: Re-Stabilisierung der Betroffenen

Ansprache: kurz und ruhig, möglichst unter 4 Augen

Das war unfair. Du hast was riskiert – das ist stark. Ich will, dass du’s gleich nochmal machst. Und diesmal bist du für dich da, nicht für die anderen

Nach der Wiederholung hilft eine kurze, fokussierte Beobachtung ("Dein Timing war jetzt richtig mutig. Das zählt.")

Alternative, falls wiederholung nicht möglich ist:

Kurze Körperübung: fester Stand, zweimal bewusst atmen, Anspannen, Entspannen

Phase 4 (optional): Gruppendynamik einfangen

Ziel:

  • Spott überschreiben

  • Niemand verliert das Gesicht

  • Reintegration der Betroffenen durch gemeinsame Bewegung

Übung für alle öffnen und Fokussierung aus den jeweils eigenen Stil:

Okay – für alle nochmal dieselbe Aufgabe. Jeder hat einen Versuch, und jeder probiert’s auf seine Art, so wie’s sonst keiner macht.

Table 1. Kurzübersicht (Cheat Sheet)

1. Sofort-Stopp

Gruppennorm unterbrechen

„Stopp. Kein Spott hier.“

2. Reframing für alle

Neue Bedeutung von Fehler & Mut

„Wer wagt, verdient Respekt.“

3. Stabilisieren

Opfer emotional absichern + bestärken

„Das war mutig – du machst das nochmal. Ich bin bei dir.“

4. Reintegrieren

Neue Übung für alle

„Alle machen’s – 3 Versuche, jeder auf seine Weise.“

Resilienzbildung gegen destruktive Kritik

Die gezielte Ausbildung von psychologischer Widerstandsfähigkeit (Resilienz) zählt zu den wirksamsten Maßnahmen, um Athlet:innen langfristig vor den negativen Effekten destruktiven Feedbacks zu schützen. Resiliente Sportler:innen sind besser in der Lage, emotionale Kränkungen, äußere Herabsetzung oder überzogene Kritik zu verarbeiten, ohne dass ihr Selbstbild oder motorisches Lernen negativ beeinflusst wird (Fletcher & Sarkar, 2012) .

Zur praktischen Resilienzbildung haben sich folgende Methoden bewährt:

  1. Rollenspiele mit "fiesen Coaches" In kurzen szenischen Übungen geben Trainer:innen gezielt überzeichnet negatives Feedback. Die Sportler:innen lernen, eine körperlich-mentale Haltung zu bewahren und gezielte Reaktionen einzuüben, z. B. durch innere Selbstansprache oder bewusst gesetzte Gestik.
    Ziel: Aufbau kognitiver Immunität durch emotionale Antizipation (Gross, 1998) .

  2. „Was denkst du gerade?“ – Kognitive Umleitung trainieren Direkt nach echtem, aber konstruktivem Feedback werden Athlet:innen gefragt:
    „Was ging dir gerade durch den Kopf?“
    So wird trainiert, automatische Gedanken wahrzunehmen und ggf. umzuleiten (Reattribution) und bewusst mit externem Feedback umzugehen
    Beispiel: Statt „Ich kann das nie!“ lieber „Das war ein Hinweis auf mein Timing.“
    Ziel: Aufbau metakognitiver Kontrolle über spontane Selbstbewertungen (Beck, 1979) .

  3. Bewegungsrituale nach Rückschlägen Kleine Routinen wie das Ausschütteln der Arme, bewusstes Atmen oder ein symbolischer „Reset-Gestus“ helfen, Misserfolge körperlich-emotional zu verarbeiten.
    Beispiel: „Shake-it-Off“-Ritual nach einem Fehlversuch: „Ich lasse los – nächster Versuch.“
    Ziel: Embodied Recovery, also körpergestützte Selbstregulation nach negativem Reiz (Füstös et al., 2012) .

Außerdem empfiehlt es sich, nach einem Gruppengespräch mit den AthletInnen, bei dem die relevanten Punkte angesprochen werden, zustätzlich eine Trainingskarte auszuhändigen, die die Athleten stets zur Hand haben können.

Trainingskarte: Stark bleiben bei emotional-negativem Feedback

Im Sport bekommst du nicht nur Lob – manchmal trifft dich auch stark negatives, emotionales Feedback.

Das ist überhaupt nicht in Ordnung!

Diese Karte hilft dir, stark zu bleiben, klar zu denken und aus der Situation gestärkt hervorzugehen.

🛡️ Wenn das Feedback kommt: Sofort-Schutz für deinen Kopf
  • Denke: „Das ist seine Meinung – nicht mein Selbstbild.“

  • Bleib ruhig im Gesicht – keine Reaktion ist oft die beste Reaktion.

  • Atme bewusst: 4 Sekunden ein, 6 Sekunden aus.

  • Stell dir einen „inneren Schutzschild“ vor – das Feedback prallt daran ab.

  • Wiederhole innerlich ein stärkendes Mantra, z. B.:

    „Ich bleibe bei mir.“
    „Ich trainiere für mein Ziel – nicht für seinen Ton.“

🔄 Direkt danach: Reset für Kopf und Körper
  • Nenne dein Gefühl für dich selbst:

    „Ich war getroffen – aber ich kann damit umgehen.“

  • Richte dich auf: Standfest, Brust raus, Blick nach vorne.

  • Mach eine Bewegung zur Entladung: z.B. 3x locker springen, 3x klatschen.

  • Frage dich:

    „War im Feedback etwas Nützliches drin – trotz Ton?“

  • Sag dir:

    „Ich nehme mit, was mir hilft – und den Rest werfe ich weg!“

💬 Deine 3 stärkenden Gedanken für harte Momente
Gedanke Bedeutung

„Manche sehen Schwächen, wo Stärken wachsen.“

Stärken wirken fremd, bis sie wirken. Dann nennt man sie Talent.

„Ich entscheide, was ich mitnehme.“

Du wählst, was du glauben willst – nicht andere.

„Ich bin auf dem Weg – und der zählt.“

Du entwickelst dich, mit jedem Training.

📌 Dein Ziel:

Du gehst deinen Weg – auch durch fremde Schatten:

Du wählst, was zählt. Du nimmst nur mit, was dir hilft.